Juni 2019

CO2 als Rohstoff nutzen

Die Klimabilanz der chemischen Industrie zu verbessern - und das ausgerechnet mit Hilfe des Treibhausgases CO2: Darum geht es auf der 17th International Conference on Carbon Dioxide Utilization (ICCDU) vom 23.–27. Juni 2019 in Aachen.

Prof. Walter Leitner, MPI CEC
Prof. Walter Leitner, MPI CEC

Chemische Produkte aus CO2: Von der Forschung zur Anwendung

Unter dem Motto „From Science to Application“ diskutieren Wissenschaftler aus aller Welt, wie das Treibhausgas CO2 dazu beitragen kann, die chemische Industrie zunehmend unabhängig vom Erdöl als Rohstoffquelle zu machen. Stattdessen könnte Kohlendioxid aus Industrieabgasen und zukünftig vielleicht sogar aus der Atmosphäre genutzt werden, um Treibstoffe, Kunststoffe oder auch hochwertige Chemieprodukte zu erzeugen. Langfristig könnte so ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf geschaffen werden. An solchen innovativen Produktionsverfahren auf Basis von CO2 wird weltweit bereits intensiv geforscht.

Das Kohlendioxid chemisch nutzbar zu machen ist allerdings ein hoch komplexer Vorgang. „Um die Bindungen im CO2-Molekül aufzubrechen und neue Bindungen daran zu knüpfen, benötigt man erhebliche Mengen Energie. Damit das Ganze auch wirklich nachhaltig ist, muss diese natürlich aus regenerativen Quellen kommen“, erläutert Walter Leitner, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI CEC) und Vorsitzender des Programmkomitees der diesjährigen ICCDU. 

Die Wissenschaftler am MPI CEC arbeiten daran, das chemisch träge CO2 mit hoch reaktivem Wasserstoff, der mit Hilfe von „grünem“ Strom erzeugt wird, gezielt zu verknüpfen. Auf diesem Weg können nicht nur Kraftstoffe, sondern auch wichtige chemische Bausteine wie Methanol, Formaldehyd oder Ameisensäure hergestellt werden. „So kann die ‚Dekarbonisierung‘ der Energieerzeugung durch Wind- und Solaranlagen mit Hilfe des Treibhausgases CO2 zur ‚Defossilisierung‘ der chemischen Industrie beitragen“, sagt Leitner. Über die Forschung seines Teams berichtet ausführlich die aktuelle Ausgabe des Magazins Max-Planck-Forschung.

Ohne Katalysator geht es nicht

Entscheidend für die richtige Verknüpfung der beiden ungleichen Partner ist der Einsatz geeigneter Katalysatoren. Der Forschungsbedarf an solchen Katalysatoren ist groß. Sie müssen selbst nachhaltig hergestellt werden können, bezahlbar sein und aus den Reaktionen möglichst unbeschadet hervorgehen. Unter anderem analysieren die Wissenschaftler am MPI CEC daher, welche Materialien besonders aktiv gegenüber den Molekülen CO2 und H2 sind. Das Ziel dabei ist, ganz genau zu verstehen, wie ein Katalysator funktioniert und wie er sich im Verlauf der komplizierten Reaktion verändert – Grundlagenforschung also. 

Erfolgreiche Beispiele für die Nutzung von Kohlendioxid in der chemischen Industrie gibt es bereits. Das Unternehmen Covestro stellt seit 2016 unter Einsatz von CO2 als Rohstoff Ausgangsmaterialien für die Schaumstoffproduktion her, sogenannte Polyole. Wesentlicher Erfolgsfaktor war auch hierfür die Katalysatorforschung, die am CAT Katalysezentrum, einer gemeinsamen Einrichtung von Covestro und der RWTH Aachen durchgeführt wurde. Gemäß dem Motto „From Science to Application“ haben Prof. Leitner und Dr. Christoph Gürtler, Head of Catalysis and Technology Incubation bei Covestro, zusammen den Vorsitz des Programmkomitees der ICCDU inne. 

Die ICCDU findet bereits zum 17. Mal statt und wird in diesem Jahr von der DECHEMA organisiert. Seit den ersten Diskussionen der 1980er Jahre hat sich die CO2-Nutzung vom theoretischen Konzept in Richtung Marktreife entwickelt. Auch wenn es noch ein weiter Weg ist, so markiert die Nutzung von CO2 als Rohstoff doch einen wichtigen Schritt hin zu einem geschlossenen Kohlenstoffkreislauf.

Das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI CEC) beschäftigt sich mit grundlegenden chemischen Prozessen, die bei der Speicherung und Umwandlung von Energie eine Rolle spielen. Das Ziel besteht darin, Sonnenlicht in kleinen, energiereichen Molekülen zu speichern und Energie so orts- und zeitunabhängig nutzbar zu machen. In den drei Abteilungen Heterogene Reaktionen, Anorganische Spektroskopie und Molekulare Katalyse arbeiten mehr als 100 Wissenschaftler aus über 20 Ländern, und tragen mit ihrem Expertenwissen zur Vorbereitung einer nachhaltigen Energiewende bei.


Quelle und weitere Informationen:

Website idw