Bericht Plenum
Aus weniger mehr machen – dies nannte Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir als Motto der Wirtschaft von morgen. In seiner Begrüßung zur 8. PIUS-Länderkonferenz plädierte er für die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch – eine Forderung, die sich wie ein roter Faden durch die beiden Veranstaltungstage zog.
Mit der PIUS-Länderkonferenz und anderen Initiativen zum produktionsintegrierten Umweltschutz (kurz PIUS) zeigen Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Wege in eine nachhaltige Wirtschaft auf. Das ist dringend nötig, denn bislang halten nur etwa acht Prozent der europäischen Unternehmen die Klimaziele ein, wie Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Hessischen Wirtschaftsministerium, zur Eröffnung des zweiten Veranstaltungstages sagte. Die Politik müsse die Unternehmen unterstützen, aber auch eigene Aktivitäten nachhaltiger gestalten. Hessen geht mit gutem Beispiel voran: Die Landesverwaltung solle bis 2030, das ganze Land bis 2050 klimaneutral sein, erklärte Nimmermann.
Al-Wazir wies darauf hin, dass die Menschheit schon seit langem die natürlichen Ressourcen schneller verbraucht, als die Erde sie regenerieren kann. So lag der sogenannte „Welterschöpfungstag“ vor 50 Jahren noch im Dezember, 2019 schon im Juli. Dr. Mathis Wackernagel, Präsident der Non-Profit-Organisation Global Footprint Network, die den Welterschöpfungstag berechnet, beleuchtete in seinem Plenarvortrag „das doppelte Risiko der falschen Infrastruktur“: Wenn wir heute falsch investieren, etwa weiterhin in fossile Energien, schaden wir nicht nur der Umwelt, sondern schwächen uns auch wirtschaftlich.
Mehr Recycling, weniger Eigentum
Als entscheidend für die Entkopplung von Wachstum und Verbrauch nannte Keynote-Sprecher Dr. Janez Potočnik, Co-Vorsitzender des UNEP International Resource Panel, eine Kreislaufwirtschaft, die Hersteller stärker in die Wiederverwertung ihrer ausgedienten Produkte einbezieht. Eine Abkehr vom Besitzdenken bezeichnete er ebenfalls als förderlich für den Ressourcenschutz. So bräuchten wir weder eigene Autos für unsere Mobilität noch eigene CDs, um Musik zu hören. Hilfreich ist, dass die fortschreitende Digitalisierung Sharing-Modelle erleichtert und die jüngere Generation weniger an Eigentum interessiert ist.
Für die Umsetzung des „European Green Deal“, mit dem die EU bis 2050 Netto-Null-Emissionen an Treibhausgasen anstrebt, präsentierte Potočnik den „System Change Compass“, der über 50 förderungswürdige Bereiche definiert, darunter der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft und der digitalen Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur. Potočnik hob hervor, dass eine Kreislaufwirtschaft unabhängiger von Importen mache. Aktuell importiert die EU die Hälfte ihrer Energieträger und 75 bis 100 Prozent der meisten Metallen. Auch das deutsche Ressourceneffizienzprogramm ProgRess sei kein reines Umweltschutzprogramm, sondern solle zugleich die Wettbewerbsfähigkeit sichern, erläuterte Dr. Christoph Epping, Unterabteilungsleiter im Bundesumweltministerium. Die dritte Auflage von ProgRess stuft 26 Maßnahmen als prioritär ein, darunter die Förderung von material- und energieeffizienten Produktionsverfahren.
Kunststoffe im Fokus
Auf das Recycling von Kunststoffen legte die PIUS-Konferenz ein besonderes Augenmerk. In den vergangenen drei Jahrzehnten habe sich die Menge an Plastikverpackungen verdoppelt, erklärte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), während der Podiumsdiskussion am zweiten Veranstaltungstag. Er forderte eine internationale Vereinbarung zum Umgang mit Kunststoffen, analog dem globalen Klimaschutzabkommen.
Die Diskussionsrunde ging zudem auf verschiedene Techniken der Kunststoffverwertung ein. Dr. Andreas Kicherer, Director Sustainability Strategy beim Chemiekonzern BASF, stellte das chemische Recycling vor. Das Verfahren wird in vielen EU-Ländern derzeit propagiert, denn es pyrolysiert ausgediente Kunststoffe zu einem Öl als Alternative zu fossilen Rohstoffen. Bandt hingegen kritisierte, dass die Technik viel Energie verbrauche und zu schadstoffbelasteten Produkten führe. Auch Timothy Glaz, Leiter Corporate Affairs bei Werner & Mertz in Mainz, dem Hersteller von Reinigungsmitteln der Marke Frosch, bevorzugt das mechanische Recycling, basierend auf der Zerkleinerung und sortenreinen Trennung von Plastikmüll. Verpackungen für Frosch-Produkte stellt Werner & Metz bereits zu 100 Prozent aus einem Mix aus recycelten PET-Getränkeflaschen und Abfällen aus dem Gelben Sack her.
Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Gleichwohl müsse Schluss sein mit Einmalartikeln aus Plastik, sagte Diskussionsteilnehmer Daniel Schenk, Geschäftsführer des Familienunternehmens Scheplast, einem Produzenten von technischen Kunststoffteilen im baden-württembergischen Schwendi. Getreu dem Motto „Einweg ist kein Weg“ hat Schenk Aufträge zur Produktion von Einmalprodukten durchaus schon abgelehnt. Ein Drittel der Kunststoffe, die Scheplast verarbeitet, basieren auf recycelten oder nachwachsenden Rohstoffen. Schenk stellte aber klar, dass selbst biobasierte und bioabbaubare Kunststoffe das Plastikproblem nicht pauschal lösen.
Von Brot bis Beton: Praktizierte Nachhaltigkeit
Neben dem Schutz von Ressourcen rückt die soziale Verträglichkeit für immer mehr Betriebe in den Fokus. „Mit Ethik sind wir erfolgreich“, sagte Volker Schmidt-Sköries, Eigentümer der Biobäckerei Kaiser aus Wiesbaden, in seinem Plenarvortrag. Die soziale Ausrichtung des Unternehmens äußert sich zum Beispiel in einer Gewinnbeteiligung der rund 270 Mitarbeiter und der Getreidebauern.
Dass sich sogar Betonsteine nachhaltig produzieren lassen, erfuhr man im Abschlussvortrag von Johannes Schramm, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter der Produktion bei Rinn im hessischen Heuchelheim. Das Unternehmen, Preisträger des Deutschen Rohstoffeffizienzpreises 2020 und des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2018, steigerte den Anteil an Recycling-Rohstoffen in seiner Produktion in den vergangenen fünf Jahren von fünf auf elf Prozent. Rinn bereitet Produktionsabfälle, Splitt und Sand auf und arbeitet am Recycling von bereits verbautem Beton. Außerdem nutzt das Unternehmen Ökostrom – aus Wasserkraft, Photovoltaik und Geothermie – sowie in unterirdischen Tanks gesammeltes Regenwasser.
Man mag kritisieren, dass Zement, die Grundzutat von Beton, über fünf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht und damit zu den Klimakillern zählt. Dennoch steht Rinn für den eingangs von Keynote-Sprecher Wackernagel geforderten Perspektivwechsel. Jeder müsse sein eigenes Boot flicken, hatte Wackernagel betont, statt darauf zu warten, dass erst der andere seine Löcher abdichte. Die PIUS-Länderkonferenz stellte viele Unternehmen vor, die das bereits verinnerlicht haben. Allen anderen vermittelte sie hilfreiche Instrumente für den Übergang in eine ressourceneffizientere Wirtschaft.
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