Juli 2024
Finanztaxonomien klassifizieren wirtschaftliche Aktivitäten nach ihrer Nachhaltigkeit und schaffen damit Transparenz und Orientierung für klimafreundliche Investitionen. So können sie einen wichtigen Beitrag zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft liefern. Wissenschaftlerinnen der Abteilung Klimapolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) haben Finanztaxonomien in 26 Ländern und Wirtschaftsräumen unter die Lupe genommen. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Taxonomien vielerorts ihr volles Lenkungspotenzial noch nicht entfalten können. „Es ist zu begrüßen, dass immer mehr Länder das Instrument der Taxonomie nutzen, um Finanzströme in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken“, so Studienautorin Catherine Marchewitz. „Unsere Analyse zeigt aber auch, dass in zahlreichen Ländern nachgebessert werden sollte und vor allem globale Standards notwendig sind.“
Studie identifiziert Schwachstellen der Taxonomien
In ihrer derzeitigen Ausgestaltung eignen sich viele der 26 analysierten Taxonomien bisher kaum, den Übergang zur Klimaneutralität vollumfänglich zu unterstützen. So erfassen die Taxonomien nicht alle emissionsrelevanten Wirtschaftsaktivitäten und -sektoren und gelten nicht für alle Marktteilnehmer*innen oder Finanzprodukte. Während einige Taxonomien mehr als 90 Prozent der nationalen Emissionen abdecken, sind es bei anderen weniger als die Hälfte. Ein weiterer Schwachpunkt der Taxonomien besteht darin, dass sie nur selten an Offenlegungs- und Berichtspflichten für Unternehmen geknüpft sind. Oft mangelt es auch an Kriterien und Schwellenwerten, die im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen.
Eine gute potenzielle Wirksamkeit bescheinigen die DIW-Wissenschaftlerinnen unter anderen den Taxonomien der Europäischen Union, dem Verbund der südostasiatischen Staaten (ASEAN), aber auch Georgien, Kolumbien, Südkorea, Singapur und Sri Lanka. Die EU kann besonders damit punkten, dass der Kreis der Marktteilnehmer*innen, die die Taxonomie anwenden können, sehr groß ist. Zudem ist die EU-Taxonomie mit umfassenden Offenlegungspflichten für Unternehmen verbunden. Am schlechtesten schneiden in der Studie die Taxonomien von Israel, Russland, Südafrika, Malaysia und Usbekistan ab.
Von Land zu Land abweichende Kriterien und Schwellenwerte zur Einstufung von klimaschonenden Wirtschaftsaktivitäten verunsichern allerdings international agierende Unternehmen und Finanzmarktakteure. Dies spiegelt sich bereits in unterschiedlichen Taxonomie-Bezeichnungen wie „grün“, „nachhaltig“, „Transition-“ oder „Klima-“ wider. Außerdem gibt es Taxonomien, die freiwilliger Natur sind und lediglich der Orientierung dienen und andere, die verpflichtend sind – dies allerdings oft nur für einen überschaubaren Kreis von Marktteilnehmer*innen. Die Folge: Vergleiche sind kaum möglich und nachhaltige Investitionsentscheidungen werden erschwert.
Global einheitliche Standards für Taxonomien unerlässlich
Hier setzt die Politikempfehlung an: „Um das Transformationspotenzial von Taxonomien zu steigern, müssen diese international abgestimmt und harmonisiert werden“, erklärt Studienautorin Franziska Schütze. “Nur mit einheitlichen Standards kann Transparenz geschaffen und letztlich verhindert werden, dass Emissionen in andere Länder verlagert werden.“ Viele Unternehmen und Investor*innen sind international tätig. Uneinheitliche Taxonomien könnten sie veranlassen, dort zu produzieren oder einzukaufen, wo niedrigere Anforderungen an nachhaltige Produkte gestellt werden oder höhere Schwellenwerte für Emissionen gelten. Zudem bedeuten unterschiedliche Taxonomie-Ansätze für Unternehmen einen höheren Verwaltungsaufwand.
„Einheitliche Taxonomie-Stanards schaffen Transparenz und verhindern, dass Emissionen in andere Länder verlagert werden.“ Franziska Schütze
Die Forscherinnen sprechen sich zudem dafür aus, dass die Schwellenwerte zur Klassifizierung der Nachhaltigkeit regelmäßig überprüft und angepasst werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie mit neuen Erkenntnissen und Klimazielen Schritt halten. „Besonders relevant sind solche dynamischen Schwellenwerte in emissionsintensiven Branchen wie etwa der Stahl- oder Zementindustrie, in denen klimafreundliche Alternativen noch in der Entwicklung sind“, erläutert Studienautorin Fernanda Ballesteros. „Gerade für diese Branchen ist es wichtig, dass sie für den Umbau hin zu klimafreundlichen Prozessen weiter Zugang zu Kapital haben.“