Oktober 2018
Klebstoffe für das Fügen von Bauteilen sind aus der Industrie nicht mehr wegzudenken. Dass sie diese zuverlässig verbinden reicht aber nicht. Die von der EU forcierte Kreislaufwirtschaft erfordert, dass auch High-Tech-Produkte wie Handys bei Reparaturen oder beim Recycling sauber in ihre Ausgangsmaterialien zerlegt werden können. Ein am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelter thermolabiler und reversibler Kleber macht dies möglich – eine Erfindung, die breite Anwendungsmöglichkeiten bietet und Ressourcen schont.
Mit steigenden Recyclingquoten treibt die Europäische Union eine Kreislaufwirtschaft voran, die Produkte, Materialien und Ressourcen möglichst lange erhält. Ziel ist es nicht nur, Abfälle weiter zu reduzieren, sondern auch Produkte herzustellen, die reparierbar, weiterverwendbar und recyclingfähig sind. Gleichzeitig sinkt zum Beispiel bei Elektrogeräten die Lebensdauer. Ein Smartphone wird heute nach ein bis zwei Jahren ausgemustert. Es fachgerecht und ohne Rückstände zu recyclen bleibt jedoch eine Herausforderung.
„Die Bauteile vieler Produkte aus unserem alltäglichen Leben, zum Beispiel Handys oder Tablets, werden in der Regel an bestimmten Stellen verklebt“, erklärt Professor Christopher Barner-Kowollik, Leiter der Arbeitsgruppe Makromolekulare Architekturen am Institut für Technische Chemie und Polychemie (ICTP) des KIT. Das Kleben ersetzt beim industriellen Fügen zunehmend das Schweißen, Nieten oder Verschrauben. Klebstoffe reduzieren das Gesamtgewicht und erfüllen zusätzliche Funktionen wie Isolierung oder Dämpfung. Der Nachteil: Sind sie einmal ausgehärtet, lassen sich die Verbindungen höchstens unter großem Zeit- oder Energieaufwand wieder lösen. Wird ein geklebtes Produkt zu Reparaturzwecken oder für das Recycling zerlegt, endet dies oft in der Beschädigung oder Zerstörung einzelner Komponenten.
Der neue thermolabile Klebstoff, den Barner-Kowollik und sein Forschungsteam am KIT entwickelt haben, kann dieses Problem lösen. Er ist bei Raumtemperatur stabil, lässt sich aber auf den Punkt genau, schnell und schon bei vergleichsweise geringen Temperaturen wieder abbauen. Ist der Prozess beendet, zeigt sich dies unmittelbar, weil die entsprechende Stelle sich einfärbt. Für dieses „Debonding on demand“ (DoD) haben die Experten Sollbruchstellen in das Netzwerk aus langkettigen Polymermolekülen eingebaut, aus dem ein typischer Klebstoff besteht. An diesen Stellen öffnen sich schon bei mäßigen Temperaturen unter 100 Grad Celsius die chemischen Verbindungen wieder und der Klebstoff löst sich auf. Seine Zusammensetzung und die genaue für das Ablösen notwendige Temperatur können der individuellen Anwendung angepasst werden. „Diese beiden Stellschrauben bewegen wir, indem wir die Moleküle modifizieren“, sagt Barner-Kowollik.
Für den cleveren Klebstoff, den die Experten ursprünglich für die Dentaltechnik entwickelt haben und der dort Einsatz finden soll, um verklebte Kronen oder Klammern schonend wieder auszubauen, haben sich mittlerweile vielfältige Anwendungsfelder geöffnet. Neben dem Elektronikbereich sind Einsätze in der Produktion denkbar, etwa um Werkstoffe vorübergehend auf einer Werkbank zu fixieren, oder auch auf Baustellen, um zum Beispiel Industriedübel wieder zu entfernen. Der thermolabile Klebstoff ist patentiert und soll jetzt in Kooperation mit Partnern aus verschiedenen Industriebereichen weiterentwickelt werden.