August, 2021

„Materialeffizienz birgt große Potenziale für Klimaneutralität und sollte dafür stärker genutzt werden“

• Ein internationales Team von Wissenschaftlern berechnet das Potenzial von Materialeffizienz-Strategien bei Wohngebäuden und PKW
• In diesen Bereichen könnten bis zu zwei Drittel der weltweiten Emissionen eingespart werden, Voraussetzung sind konsequente Umsetzung entsprechender Strategien

Materialeffizienz bei PKW lohnt sich.
Materialeffizienz bei PKW lohnt sich.

Durch eine effizientere Nutzung von Materialien bei Wohngebäuden und PKW könnten bis 2050 enorme Mengen Treibhausgase eingespart werden: 20 bis 52 Gigatonnen CO2-Äquivalente bei Wohngebäuden und 13 bis 26 Gigatonnen CO2-Äquivalente bei PKWs – das wären bis zu zwei Drittel des bisherigen Verbrauchs. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam um Dr. Stefan Pauliuk, Juniorprofessor für nachhaltiges Energie- und Stoffstrommanagement an der Universität Freiburg. Die Wissenschaftler analysierten dafür zehn globalen Strategien zur Materialeffizienz (ME), wie etwa die Wiederverwendung von Schrott aus der Herstellung und berechneten deren gemeinsames maximales Potenzial – wenn sie konsequent bis 2040 umgesetzt würden und von einer strikten Klimapolitik flankiert würden. Bei Wohngebäuden weisen dabei die Holzbauweise und die Reduzierung der Wohnfläche pro Kopf das größte Einsparpotenzial auf. Bei den Personenkraftwagen sind es Mitfahrgelegenheiten und Carsharing. „Das zeigt, dass Materialeffizienz ein Schlüssel zu einer weitgehenden Klimaneutralität sein kann“, sagt Pauliuk. „Die Potenziale sind enorm und sollten stärker genutzt werden.“ Die Ergebnisse präsentiert das Forschungsteam in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Was-wäre-wenn-Szenarien für verschiedene Grade von Material-Effizienz

In einem internationalen Team, unter anderen mit Prof. Dr. Edgar Hertwich von der Norwegian University of Science and Technology/Norwegen, betrachtete Pauliuk die Lebenszyklen der Materialien für den Wohnungs- und PKW-Bau und berechnete, wie viel Treibhausgasemissionen durch eine breite und ehrgeizige Einführung von Maßnahmen zur Materialeffizienz (ME) in Kombination mit einer strikten Klimapolitik bis 2050 eingespart werden könnten. Die Berechnung berücksichtigt zehn ME-Strategien. Dazu zählen angebotsseitige Maßnahmen wie beispielsweise die Wiederverwendung von Schrott aus der Herstellung, nachfrageseitige Maßnahmen, wie die Wiederverwendung von Produkten sowie eine effizientere Nutzung der Produkte durch Carsharing und geteiltem Wohnraum. Daneben ermittelten die Wissenschaftler die künftigen Veränderungen der Materialflüsse und des Energieverbrauchs aufgrund von höherer Materialausbeute, leichterem Design, Materialsubstitution, längerer Lebensdauer, höherer Serviceeffizienz, Wiederverwendung und Recycling. Dabei erfasst das Rechenmodell die Produktion, die Nachfrage, die Verwendung und das Recycling von sechs klimarelevanten Materialien: Aluminium, Zement, Kupfer, Kunststoffe, Stahl und Holz. „Die Analyse generiert eine Reihe von Was-wäre-wenn-Szenarien für verschiedene Grade von Materialeffizienz im Fahrzeug- und Gebäudesektor und den damit verbundenen wichtigen Materialkreisläufen vor unterschiedlichen sozioökonomischen und klimapolitischen Hintergründen“, erklärt Pauliuk.

Materialeffizienz müsse höhere Priorität in der Klimapolitik bekommen

Nach Auffassung der Forscher zeige ihre Studie, dass für tiefgreifende Emissionssenkungen im Wohngebäudesektor Ökostrom allein nicht ausreiche, sondern zusätzliche Effizienzmaßnahmen erforderlich seien. Das Gleiche gelte für PKWs, bei denen die Elektrifizierung und Umstellung auf kohlenstoffarme Elektrizität Hand in Hand gehen müsse. Pauliuk kommt zu dem Schluss: „Wenn Strategien zur Materialeffizienz einen ähnlich hohen Stellenwert wie Maßnahmen zur Energieeffizienz erhalten, wird das Erreichen des Pariser Ziels, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, leichter möglich. Die Maßnahmen zur verbesserten Materialeffizienz können leicht umgesetzt werden, daher sollte ihnen in der Klimapolitik eine höhere Priorität zukommen.“

Das Forschungsprojekt wurde unterstützt vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, der Israelischen Wissenschaftsstiftung und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen.


Quelle und weitere Informationen

Website idw