Juni 2020

Diskussionspapier "Green Industrial Recovery":IN4climate.NRW-Partner fordern klimaschutzorientiertes Konjunkturprogramm

Konjunkturprogramme im Zuge der Corona-Krise müssen so gestaltet werden, dass sie die Wirtschaft beleben und gleichzeitig einen Beitrag für den Klimaschutz leisten. Die Bundesregierung hat dafür mit ihrem Konjunkturpaket den ersten Rahmen geschaffen, der insbesondere für die Industrie mit Leben gefüllt werden muss. Dazu hat der Think Tank IN4climate.NRW gemeinsam mit seinen Partnern aus Industrie und Wissenschaft konkrete Anforderungen und Impulse in einem Diskussionspapier veröffentlicht.

Wege in eine klimaneutrale Industrie nach der Corona-Pandemie. Marc Thürbach
Wege in eine klimaneutrale Industrie nach der Corona-Pandemie. Marc Thürbach

„Klimawandel wartet nicht. Wir müssen unbedingt vermeiden, mit neuen Konjunkturprogrammen nicht zukunftsfähige Strukturen zu stärken. Jetzt ist vielmehr der Zeitpunkt massiv in innovative Prozesse und nachhaltige klimaneutrale Ökonomien zu investieren. Nur damit können wir die richtigen Weichen für eine wettbewerbsfähige Industrie stellen“, kommentiert Samir Khayat, Geschäftsführer der Initiative, die Veröffentlichung. Zwar stehen die akuten Gefahren der Corona-Pandemie zurecht zunächst im Vordergrund. Die Bekämpfung der langfristigen Folgen und der Einsatz von Ressourcen für den Wiederaufbau dürfen aber den Klimaschutzzielen nicht entgegenstehen, bzw. sollten diese langfristig unterstützen, fordern die Autoren des Diskussionspapiers.

Sechzehn Industrieunternehmen (AirLiquide, Covestro, Currenta, GMH Gruppe, HeidelbergCement, Hydro Aluminium, Kabel, Lanxess, Lhoist, Open Grid Europe, RHM, RWE, Shell, Spenner, thyssengas und thyssenkrupp) und vier Forschungsinstitute des Projektes SCI4climate.NRW (Wuppertal Institut, Fraunhofer UMSICHT, IW Köln und VDZ) haben das Diskussionspapier „Wege in eine klimaneutrale Industrie nach der Corona-Pandemie“ unterzeichnet. Sie sehen in der Transformation hin zu einer klimaneutralen Industrie eine entscheidende Voraussetzung für den Klimaschutz und langfristige konjunkturelle Maßnahmen, die in der jetzigen Lage zur Belebung der Wirtschaft ergriffen werden müssen, als wichtige Instrumente, den Prozess voranzutreiben.

Konjunkturprogramme müssen das Ziel der langfristigen Klimaneutralität der Industrie in den Fokus nehmen. Absehbar notwendige Entwicklungen können durch die Förderung beschleunigt werden. Dazu zählen u. a.:

- die Sicherung und der Ausbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten,
- das sukzessive aber konsequente Schließen von Stoffkreisläufen im Rahmen eines verstärkt zirkulären Wirtschaftens, der sogenannten Circular Economy,
- Impulse für die Demonstration von Prozessinnovationen (z. B. Umbau der Stahlerzeugung auf wasserstoffbasierte (grüne) Produktionsprozesse),
- der sukzessive komplette Umstieg auf eine vollständig erneuerbare Energie- und Stromversorgung unter Gewährleistung von Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit,
- der Aufbau und die Entwicklung von zentralen Infrastrukturen als Voraussetzung für die Industrietransformation, u. a. Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft (vgl. Diskussionspapier Wasserstoff 10/2019) und die Bereitstellung von Flexibilitäten zur Unterstützung des Aus-baus Erneuerbarer Energien im Stromsektor, z. B. über innovative Wärmespeicher oder Prozessflexibilisierungen in der Industrie,
- Investitionen in die Entwicklung „grüner Produktmärkte“, z. B. durch gezielte staatliche Anreize oder die (freiwillige) Festlegung von Produktstandards,
- begleitende Schaffung eines „Paktes Industrie und Gesellschaft“, der Akzeptanz für die Stärkungsmaßnahmen im Rahmen der Konjunkturprogramme schafft und darüber hinaus die Grundlage für die Industrietransformation darstellt.

Orientieren sollten sich die Anforderungen der Konjunkturprogramme zudem an den Zielen des European Green Deal. Gleichzeitig sollten sie auf das gemeinschaftliche europäische Ziel, den Weg in Richtung Treibhausgasneutralität, einzahlen. Die Umstellung auf eine klimaneutrale Herstellung von Stahl, Aluminium, Zement, Grundstoffchemikalien, Glas, Papier und anderen Materialien birgt verschiedene technologische wie infrastrukturelle Herausforderungen und findet vor dem Hintergrund des intensiven globalen Wettbewerbs statt. Gleichzeitig ist die Transformation unverzichtbar. Umso wichtiger ist die Bündelung der Kräfte und ein abgestimmtes Vorgehen auf europäischer Ebene, so die Autoren.

„Industrielle Anlagen haben eine Lebensdauer von vielen Jahrzehnten. Daher ist es wichtig die Re-Investitionszyklen zu nutzen und innovative, klimafreundliche Prozesstechnologien in die Umsetzung zu bringen. Um Investitionsentscheidungen in der Industrie im Sinne des Klimaschutzes zu fördern, benötigen wir jetzt die entsprechenden Weichenstellungen, Planungssicherheit und Rahmenbedingungen durch die Politik. Die Chance, über klug ausgerichtete Konjunkturprogramme dafür einen zentralen Beitrag leisten zu können, darf nicht verpasst werden“, betont Prof. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Institutes und einer der beiden Leiter der Arbeitsgruppe politische Rahmenbedingungen bei IN4climate.NRW.

Erarbeitet wurde das Diskussionspapier von der Arbeitsgruppe politische Rahmen-bedingungen. Sie ist eine von aktuell fünf themenspezifischen Arbeitskreisen innerhalb der Plattform IN4climate.NRW, die als Landesinitiative Partner aus Industrie, Wissenschaft und Politik zusammenbringt, um gemeinsam konkret an Projekten und Strategien für eine innovative klimagerechte Transformation des Industriesektors zu arbeiten.


Quelle und weitere Informationen

idw online