März 2019
Die Gesamtrohstoffproduktivität ist in Deutschland seit dem Jahr 2000 um 17 Prozent angestiegen. Damit werden weniger Ressourcen verbraucht, um einen Euro des Bruttoinlandprodukts zu erwirtschaften. Ein guter Fortschritt. Allerdings nur auf den ersten Blick, denn die Gesamtrohstoffproduktivität bedeutet nicht zwangsläufig ein Absinken des gesamten Rohstoffverbrauchs. Jeder Deutsche verbraucht pro Jahr rund 16,2 Tonnen Ressourcen und 44 Kilogramm am Tag. Ohne eine Änderung der Konsummuster und ohne Ansätze zur Vermeidung sowie Wiederverwendung, sind die hohen Ressourcenverbräuche hierzulande nicht mehr auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen.
In Deutschland wird in der Kreislaufwirtschaft verstärkt versucht, durch Wiedergewinnung von bereits eingesetzten Rohstoffen den Bedarf an neuen Rohstoffen zu verringern und langfristig dem Ziel in sich geschlossener Stoffkreisläufe möglichst nahe zu kommen. Da es noch keine vollständige Entkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch gibt, werden erreichte Einsparungen durch sogenannte Reboundeffekte allerdings schnell wieder aufgefressen.
Häufig werden Effizienzgewinne auch durch nicht nachhaltige Trends und Lebensstile an anderer Stelle wieder aufgezehrt. Ein Blick auf den Verpackungsverbrauch in Deutschland verdeutlicht dieses Dilemma. Auf der einen Seite versuchen Unternehmen zunehmend auf unnötige Verpackungen zu verzichten, und auf der anderen Seite werden gemachte Fortschritte beispielsweise durch die massenhafte Nutzung von Coffee-to-go-Einwegbechern, durch die Einführung von Produkten in ressourcenintensiven Kleinstverpackungen oder durch die Verwendung meist halbleerer Standardverpackungen konterkariert. Im Gesamtergebnis erreichen die Verpackungsabfallmengen von Jahr zu Jahr neue Rekordwerte. Mit 18,2 Mio. Tonnen Verpackungsmüll und einem jährlichen Pro-Kopf-Aufkommen von mehr als 223 Kilogramm ist Deutschland Europameister – trotz aller Effizienzbemühungen!
Durch die Verringerung der Wandstärke von Getränkedosen konnte deren Gewicht im Schnitt um 11 Prozent reduziert werden. Allerdings wurde gleichzeitig vom Marktführer für Erfrischungsgetränke Coca-Cola nach der 0,33-Liter-Cola-Dose eine 0,25-Liter- und jüngst sogar eine 0,15-Liter-Cola-Dose aus Aluminium in den Markt gebracht, die ein ausgesprochen schlechtes Verhältnis von Füllmenge und eingesetztem Verpackungsmaterial aufweist. Im Übrigen wäre die bis zu fünfzigmalige Wiederverwendung regional vermarkteter Mehrwegflaschen grundsätzlich ressourcenschonender als die immerwährende Neuproduktion von Kleinstverpackungen. Auch die Verringerung der Foliendicke von Plastiksäcken um Bananen ist im engeren Sinn ressourceneffizient. Wenn man allerdings bedenkt, dass dieser Foliensack gar nicht notwendig ist, bedarfsgerechtes Einkaufen verhindert wird und dies tendenziell zu mehr Lebensmittelabfällen führt, wird offenkundig, dass nicht das Richtige richtig gemacht wird.
Auch Lifestyle-Produkte wie Kaffeekapseln führen trotz der Optimierung von Produktionsprozessen zu immer mehr Abfall und einem Anstieg des Ressourcenverbrauchs. So verursacht ein Kaffee aus der Kapsel etwa 25-mal mehr Abfall als Kaffee aus einer 500 Gramm-Großverpackung. Am Ende ist entscheidend, dass nicht mit großem Aufwand versucht wird, unnötige und besonders ressourcenintensive Verpackungen oder Produkte etwas weniger ineffizient zu machen. Das Vermeidungs- und Wiederverwendungsprinzip als erste und zweite Stufe der Abfallhierarchie muss viel stärker in die Anwendung gebracht werden. Produkte müssen länger nutz- und reparierbar gemacht werden.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum es noch immer kein Abfallvermeidungsziel gibt. Ohne die Festlegung einer verbindlichen Zielmarke werden die Ressourcenverbräuche, beispielweise durch unnötige Verpackungen, nicht viel kleiner werden. Mit gutem Beispiel geht Österreich voran: die Verabschiedung eines Minderungsziels für Plastikverpackungen von 20 Prozent bis zum Jahr 2025 zeigt eindrücklich, wie man wirksam gegen unnötigen Einweg-Plastikmüll vorgehen kann. Für Deutschland fordert die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) die Festlegung eines Ziels von maximal 120 Kilogramm Verpackungsabfall ab 2025 und 90 Kilogramm ab 2030 pro Kopf und Jahr.
Ebenso wie ein Vermeidungsziel sind Wiederverwendungsquoten ein wesentlicher Treiber für die Einsparung von Ressourcen. Zum Ausbau des Mehrwegsystems für Getränkeverpackungen ist eine konsequente Umsetzung der im neuen Verpackungsgesetz verankerten Mehrwegquote von 70 Prozent erforderlich. Über Getränkeverpackungen hinaus sollte für Lebensmittel- und andere Verkaufsverpackungen eine Wiederverwendungsquote von 15 Prozent bis zum Jahr 2025 und 30 Prozent bis zum Jahr 2030 festgelegt werden. Für Versandverpackungen sollte eine Wiederverwendungsquote von 30 Prozent ab 2025 und 50 Prozent ab 2030 sowie für Transportverpackungen von 70 Prozent ab 2025 gelten.
Egal ob es sich um Produkte oder Verpackungen handelt: Nach ihrem Produktlebensende stehen sie nur dann für eine stoffliche Nutzung zur Verfügung, wenn sie auch recyclingfähig sind. Untrennbar miteinander verbundene Materialien, kontraproduktive Füllstoffe, inkompatible Materialkombinationen, ein nicht sortierfähiges Design oder schadstoffhaltige Zusatzstoffe verhindern dies jedoch. Nur durch verbindliche Mindeststandards zur Recyclingfähigkeit werden Verpackungen, aber auch Produkte ein recyclingfähiges Ökodesign erhalten. Die Standards im Verpackungsgesetz sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Auf europäischer Ebene müssen Standards zur Recyclingfähigkeit in der EU-Öko-Design-Richtlinie verbindlich festgelegt werden.
Ohne Anreize keine wettbewerbsfähig
Neben anspruchsvollen Recyclingquoten sollten politische Rahmenbedingungen so ausgestaltet werden, dass gesammelte Kunststoffe hierzulande nicht nur aufbereitet werden, sondern auch einen Absatz finden. Ohne ausreichende Anreize sind Rezyklate aus Altkunststoff jedoch nicht wettbewerbsfähig im Vergleich zu günstigen Neukunststoffen aus fossilem Rohöl. Eine Mindesteinsatzquote für Recyclingmaterialien in bestimmten Verpackungs- oder Produktgruppen würde die Nachfrage dauerhaft ankurbeln. Zudem sollten im Rahmen der öffentlichen Beschaffung Produkte mit Anteilen aus Recyclingmaterial bevorzugt werden. Durch eine möglichst breite Spreizung der Lizenzentgelte für Verpackungen oder durch eine Primärressourcensteuer kann dafür gesorgt werden, dass der Einsatz von Rezyklaten ökonomisch bessergestellt wird als der Einsatz von Neumaterial.
Damit Verbraucher ressourcenfreundliche Kaufentscheidungen treffen können, müssen sie Informationen über die Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit, den Rezyklatanteil, die Reparaturfähigkeit und den Einsatz nachwachsender Rohstoffe erhalten. Die Politik ist aufgefordert, gemeinsam mit Herstellern und Händlern leicht verständliche und einheitliche Labels zu entwickeln.
Ein Beitrag von Thomas Fischer, Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe e.V.