Januar 2022
Bei zahlreichen Industrieprozessen entstehen CO2-Emissionen, die nicht so ohne Weiteres vermieden werden können. Dazu gehören unter anderem die Zementindustrie und die thermische Abfallbehandlung.
Die Bundesregierung betont in ihrem Evaluationsbericht zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz, den sie laut Gesetz alle vier Jahre vorlegen muss, dass Emissionsminderung und -vermeidung sowie die Steigerung von Effizienz oberste Priorität haben, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. „Die für den Bericht ausgewerteten THG-Neutralitätsstudien aus dem Jahr 2021 sehen daneben die Notwendigkeit, zum Erreichen unserer Klimaziele auch CCS und CCU einzusetzen. Dabei zeigt sich, dass die Technik zur Abscheidung, zum Transport und zur Speicherung von CO2 bereits ausgereift und erprobt ist“, so die Bundesregierung.
Anpassung des Rechtsrahmens
Jedoch stehe der rechtliche Rahmen in Deutschland einem Einsatz der Technologien noch im Weg, insbesondere mit Blick auf den leitungsgebundenen CO2- Transport. Aus diesem Grund spricht der Evaluierungsbericht erste Empfehlungen aus, um den Rechtsrahmen entsprechend anzupassen und beispielsweise den CO2-Transport und den Aufbau der dafür notwendigen Infrastruktur zu ermöglichen.
Auf Basis des Berichts wird die Bundesregierung im kommenden Jahr eine Carbon Management-Strategie erarbeiten. Der Evaluierungsbericht benennt hierfür bereits zehn zentrale Handlungsfelder. So soll die Strategie insbesondere die denkbaren Einsatzfelder für die Technologien näher bestimmen. Das ist wichtig, weil für die Bundesregierung die Elektrifizierung, die Steigerung der Energieeffizienz aber auch der Umstieg auf grünen Wasserstoff oberste Priorität haben. Anwendungsgebiete für CCS und CCU müssen daher unter Berücksichtigung alternativer Klimaschutzoptionen herausgearbeitet werden. Auch die Beantwortung der Frage, ob CO2 in Deutschland gespeichert werden soll, soll der Carbon Management-Strategie vorbehalten bleiben.
Wegen des hohen öffentlichen Interesses und der Bedeutung des Themas soll die Erarbeitung der Strategie von einem umfassenden Stakeholderdialog begleitet werden. Eine Auftaktveranstaltung mit Vertretern aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Industrie fand bereits am 18. und 19. Oktober im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) statt. Für die Fortführung des Dialogs im kommenden Jahr wird der Teilnehmerkreis voraussichtlich nochmals erweitert, um alle Aspekte der Technologien berücksichtigen zu können.
Inhalte aus dem Evaluationsbericht
Finanzierung
Aus Sicht der Bundesregierung soll der Ausbau von CCUS mittelfristig innerhalb der priorisierten Anwendungsoptionen primär marktgetrieben erfolgen. Mit der Einbindung der CO2-Abscheidung in den europäischen Emissionshandel (ETS) werde eine Investition ohne weitere Subventionen wirtschaftlich, sobald die erwartbaren Zertifikatekosten oberhalb der Vermeidungskosten durch CCUS liegen. Die Einbindung von CCS in den ETS sei bereits weitgehend gegeben, zur Integration von CCU erwartet die Bundesregierung in der aktuellen ETS-Reform Verbesserungen.
Doch für den Markthochlauf könnten auch Fördergelder fließen. Ansatzpunkte für die Förderung des Hochlaufs von CCUS-Technologien sieht die Bundesregierung in der Forschungsförderung, etwa bei Pilotprojekten sowie bei der Mehrkostenförderung innovativer Projekte. Auf kurze und mittlere Sicht könne die Förderung und Finanzierung von F&E-Vorhaben sowie von Pilot- und Demonstrationsprojekten Innovationen beschleunigen, damit die Technologien und Verfahren schneller marktreif werden. Dies gelte insbesondere für neue Technologien wie Direct Air Capture.
Wichtig seien nationale und europäische Förder-, Forschungs- und Demonstrationsprogramme, wie etwa die CO2-Entnahme-Förderrichtlinie des BMBF, oder der EU Innovation Fund. Staatliche Förderungen könnten als flankierende Instrumente helfen, die Lücke zwischen Investitions- und Betriebskosten und den ETS-Zertifikatepreisen zu überbrücken, heißt es im Evaluationsbericht.
Infrastruktur
Die Wahl des Transportmediums hänge dabei von der Menge des zu transportierenden CO2 ab. Während bei geringen Mengen der Transport über LKW, Zug oder auch per (Binnen-) Schiff geeignert sei, seien große Mengen CO2 am effizientesten über CO2-Pipelines zu transportieren.
Wichtige Bedingungen für einen schnellen Aufbau eines CO2-Pipelinenetzes sei unter anderem eine frühzeitige und integrierte Netzplanung. Für leitungsgebundene Energieinfrastrukturen mit langen Planungshorizonten und Vorlaufzeiten von 10 bis 15 Jahren sei eine frühzeitige Bedarfsplanung notwendig, damit diese rechtzeitig zur Verfügung stehen.
Die Bundesregierung will aktuellen Plänen zufolge die zunehmende Sektorkopplung der Energiewende durch eine integrierte Planung von Strom und Gasnetzen sowie möglicherweise auch Wasserstoff ermöglichen, indem sie ein „Klimaneutralitätsnetz“ entwickelt. Eine notwendige langfristige Infrastrukturplanung für den Transport und die Speicherung von CO2 muss dabei Synergien und Abhängigkeiten berücksichtigen, etwa bei der Umwidmung von Erdgaspipelines in H2- oder CO2-Pipelines und die Rolle von regionalen CO2-Clustern oder Umschlagplätzen einbeziehen. Dies kann gelingen, wenn auch CO2 frühzeitig in eine integrierte Planung etwa im Rahmen einer Systementwicklungsstrategie eingebunden ist.
Gleichzeitig sollten Planungen auch international abgestimmt werden, um eine gemeinsame europäische CO2-Transport- und Speicherinfrastruktur anzustreben. Genauso wie Deutschland zur Speicherung von CO2 in anderen Ländern auf entsprechende Infrastruktur vor Ort angewiesen ist, könnten Nachbarländer Deutschland für ihren CO2-Transport zu Speicherstätten in der Nordsee auf eine CO2-Infrastruktur in Deutschland angewiesen sein. Die Carbon Management Strategie sollte daher auch die Interessen der europäischen Partner berücksichtigen.
Speicherstätten
Die geologische Speicherung von CO2 werde eine entsprechende Einspeicherkapazität benötigen. Im aktuellen Diskurs werden vor allem Norwegen und die Nordsee als mögliche Speichermöglichkeiten genannt. Allerdings wird es aller Voraussicht nach nicht ausreichen, alleine auf diese zu setzen.
Der Aufbau einer europäischen Speicherinfrastruktur werde deshalb zumindest mittelfristig notwendig werden, was zeitintensive Untergrunderkundungen erforderlich macht. Für die CO2-Speicherung seien entsprechend ausreichend erschlossene Speicherstätten und Infrastruktur zur Injektion erforderlich, heißt es im Evaluationsbericht.
Kommunikation
Eine Strategie, die Einsatz von CCS und CCU vorsieht, erfordere ein von der Gesellschaft mehrheitlich getragenenes Narrativ. Gesellschaftliche Widerstände hätten die Entwicklung von CCS bereits bei der Diskussion des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes vor zehn Jahren zum Stillstand gebracht.
Die Entwicklung des Narrativs gehe dabei von der gemeinsamen Zielsetzung Klimaneutralität aus und beginne mit einer ehrlichen Darstellung von Risiken, Nutzen und Ungewissheiten in einem offenen gesellschaftlichen Diskurs. CCUS ist nicht Selbstzweck, sondern ein möglicher Bestandteil eines Instrumentariums zur Erreichung der Klimaneutralität.
CCUS und Kreislaufwirtschaft
Carbon Management verknüpfe den Einsatz von CCUS zur Reduktion und zum Ausgleich der verbleibenden Treibhausgas-Emissionen mit Reduktionspotentialen aus Maßnahmen des zirkulären Wirtschaftens. Als Beispiele nennt die Bundesregierung im Evaluationsbericht die Erhöhung der Materialeffizienz, den Ersatz von Primärrohstoffen durch Sekundärrohstoffe sowie die Verlängerung von Produktlebenszyklen.
Besonders relevant seien aus einer Carbon Management-Perspektive jene Industriezweige, in welchen als schwer vermeidbar geltende Emissionen anfallen und in denen daher die THG-Neutralität kaum ohne die technische CO2-Abscheidung erreichbar ist. Dabei handelt es sich insbesondere um die Chemie-, Kalk- und Zementindustrie sowie die Abfallwirtschaft.
In den in der ITAD organisierten Anlagen zur thermischen Abfallbehandlung fallen jährlich rund 9,5 Millionen Tonnen fossile CO2-Emissionen an, heißt es im Evaluationsbericht. Die Abfallverbrennung gelte daher als ein mögliches Anwendungsgebiet für CCUS. Die wesentliche Ursache für die CO2-Emissionen lägen in der Verbrennung von Kunststoffanteilen, die sich im Siedlungs- und Gewerbeabfall befinden.
Mit einer konsequenten Umsetzung der Abfallhierarchie sollen diese so weit wie möglich reduziert, wiederverwendet und recycelt werden. Ein verbessertes Recycling, verringerter Materialeinsatz sowie Konsum- und Verhaltensänderungen haben damit einen Einfluss auf zukünftige Abfallmengen und sollten bei der Abschätzung der benötigten CO2-Abscheidekapazität mitbedacht werden.
Die Verwertung der Abfälle sei auch zusammen mit der Chemieindustrie zu betrachten, da neben dem Einsatz von Müllverbrennungsanlagen auch Optionen des chemischen Recyclings bestehen, etwa die Depolymerisation oder Pyrolyse, um Rohstoffe für die Chemieindustrie bereitzustellen, auch wenn hierbei noch zahlreiche technische Hürden bestehen.
Die Chemieindustrie stehe im Gegensatz zur Abfallwirtschaft und der Zementindustrie nicht nur vor der Herausforderung, ihre direkten CO2-Emissionen zu senken, sondern auch ihren stofflichen Kohlenstoffbedarf nachhaltig zu decken. Der Bedarf an Kohlenstoff könne durch Maßnahmen wie verschiedene Recyclingverfahren, veränderte Konsum- und Verhaltensmuster sowie Materialeffizienz gesenkt werden. Der verbleibende Kohlenstoffbedarf müsse dann durch CCU-Verfahren bereitgestellt werden, heißt es im Evaluationsbericht.
Download Evaluationsbericht zum Kohlendioxid Speicherungsgesetz